Eduard Zuckmayer wurde am 3. August 1890 in Nackenheim bei Mainz geboren, als ältester Sohn des Fabrikanten Karl Zuckmayer und seiner Ehefrau Amalie, geb. Goldschmidt. Die Familien ihrer Eltern waren beide seit Generationen in Mainz ansässig. In seinen Lebensläufen betont Eduard Zuckmayer, er sei katholischer Konfession. Sein Bruder Carl Zuckmayer wurde 1896 geboren.
Ausschnitt aus „Eduard Zuckmayer – Ein Musiker in der Türkei“
Das Elternhaus von Eduard Zuckmayer stand in Nackenheim auf dem Werksgelände der Weinflaschenkapselfabrik, die seinem Vater gehörte. Wir konnten 2015 auf dem leer stehenden Anwesen filmen. Seit langem ist geplant, dass die Fabrikgebäude abgerissen werden, aber es gibt Überlegungen, das Wohnhaus kulturell zu nutzen. 1890 zog die Familie nach Mainz, in ein großbürgerliches Haus am Bonifaziusplatz, das gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von Bomben zerstört wurde.
Schauen Sie sich den Ausschnitt aus unserem Film an, um weitere Infos zur Familie zu bekommen. Carl Zuckmayer wurde ein bekannter Schriftsteller. An Eduard Zuckmayer aber erinnern sich in Deutschland nur wenige. Der Musiker emigrierte 1936 in die Türkei und blieb dort bis zu seinem Tod im Jahr 1972.
Zwischen Eduard und Carl lagen mehr als sechs Jahre. Die beiden Brüder standen sich sehr nahe und blieben zeitlebens in Kontakt, auch in den schwierigen Zeiten des Exils. Und doch waren die beiden sehr verschieden. Während Eduard als bescheiden und eher zurückhaltend galt, waren für Carl, nach Ansicht seines älteren Bruders, Prominenz und Publicity sehr wichtig. Der Musiker bedauerte es, dass der bekannte Schriftsteller ihn nie in der Türkei besuchte, trotz zahlreicher Einladungen. Auch zu seiner Beerdigung reiste Carl 1972 nicht nach Ankara. Aber es gibt sehr herzliche Briefe, die die Brüder sich noch kurz vor seinem Tod schrieben. Beide wurden ‚Zuck‘ genannt.
„Dieser mehr als sechs Jahre ältere Bruder Eduard spielte für mich eine unter Heranwachsenden sehr seltene, fast märchenhafte Rolle. Das erste menschliche Gesicht, an das ich mich deutlich erinnere, ist nicht das der Mutter oder des Vaters, sondern sein lockenköpfiges rundes Bubengesicht, wenn er sich, in meinen Augen groß wie der volle Mond – mit dem Ausdruck der unendlichen Zärtlichkeit und Bewunderung über meinen Kinderwagen beugte. … Nie wurde es ihm zu viel, die Phantasiespiele des um so viel jüngeren zu teilen oder zu bereichern, nie schämte es sich, wie andere Buben, der Gesellschaft und Begleitung des Kleinen.“
Carl Zuckmayer 1966 in
„Als wär’s ein Stück von mir“
„Meine Mutter ist nicht arischer Abstammung. Zwar ist sie selbst von klein auf evangelisch erzogen und uns die christlichste und deutscheste Mutter gewesen, die man sich denken kann, aber ihre Eltern, übrigens aus alter Mainzer Familie, sind erst als junge Eheleute übergetreten. Väterlicherseits stamme ich ja aus einer seit Generationen in Mainz angesehenen, kathol. und ‚rein arischen‘ Familie, und habe mich sowohl nach Art, wie nach Name und immer nur zu dieser gehörig gefühlt. Aber was tut das heute zur Sache.“
Eduard Zuckmayer 1934 an Hilmar Höckner
Zu seiner Mutter hatte Eduard Zuckmayer stets ein sehr enges Verhältnis. Ihre Eltern waren kurz nach ihrer Hochzeit vom Judentum zum protestantischen Glauben übergetreten. Aber ihre beiden Söhne galten dennoch als ‚Halbjude‘ und ‚Mischling‘.
Während des Zweiten Weltkriegs zog sie mit ihrem Mann von Mainz nach Oberstdorf und überlebte dort die Nazizeit. Sie blieb bis zu ihrem Tod 1952. Eduard Zuckmayer besuchte seine Mutter dort mehrmals.
Eduard Zuckmayer mit seiner Mutter 1949
In Mainz besuchte Eduard Zuckmayer ein humanistisches Gymnasium und war ein sehr guter Schüler. In seinem Zeugnis der Reife vom Juli 1908 steht, er beabsichtige sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Das tat er auf Wunsch seines Vaters auch, allerdings nur für kurze Zeit, um dann doch Musik zu studieren. Sein musikalisches Talent hatte sich schon im frühen Kindesalter gezeigt. In der Familie wurde viel musiziert und Eduard begann Klavier zu spielen, noch bevor er in die Schule kam. Seine ersten Kompositionsversuche unternahm er mit zwölf Jahren. Schon im zweiten Semester begann er in München neben Jura auch Musikwissenschaft zu studieren. Später wechselte er an die Universitäten Berlin und Bonn und nahm gleichzeitig praktischen Unterricht in Klavier und Komposition. Ab 1912 besuchte es die nach seiner Einschätzung beste Musikschule Deutschlands, das Konservatorium der Musik in Köln, unter der Leitung von Fritz Steinbach. Im Juli 1914 verließ er es mit dem Reifezeugnis als Konzertdirigent und Konzertpianist. Die Abschlussprüfungen hatte er mit der Note 1,0 bestanden. Danach wurde er zunächst 2. Kapellmeister und Solorepetitor an der Mainzer Oper und unternahm Konzertreisen als Pianist. Die Stelle als neuer Dirigent des Münchener „Konzertvereins-Orchesters“, auf die er berufen war, konnte er 1915 nicht mehr antreten, weil er zum Kriegsdienst einrückte.
„Im Jahr 1962 erhielt ich einen Brief aus Köln. Er kam von einem Kampf- und Leidensgefährten aus dem Kriegsjahr 1918 an der Westfront. Er war damals Unteroffizier in der von mir geführten Kompanie eines rheinischen Infanterieregiments gewesen. … In seinem Schreiben erwähnte er Personen, Daten und bemerkenswerte Einzelgeschehnisse, um sich so für die Bestätigung seines Kriegsdienstes in meiner Kompanie zu legitimieren. Dabei erzählte er auch, dass ich in den Zeiten, wo wir hinter der Front in „Ruhestellung“ lagen, immer mit meinen Soldaten gesungen hätte. Ich hatte dies längst vergessen. Nun aber fiel es mir ein, und ich erinnerte mich auch, dass ich in Kurland, wo ich einen ganzen Winter lang als Offiziersaspirant in Libau verbrachte, einen Chor von Offiziersanwärtern zusammengestellt hatte, mit denen ich aus den uns zur Verfügung gestellten „Kaiserliederbüchern“ vierstimmige Männerchöre erarbeitet hatte. Ja, da war also der Weg bereits sichtbar geworden, auf dem ich, der ich vor dem Krieg bereits Opernkapellmeister und Konzertpianist gewesen war und dem man eine „glanzvolle“ Laufbahn prophezeit hatte, in den Nachkriegsjahren mit der Jugendbewegung zusammentreffen musste.“
Eduard Zuckmayer an Fritz Jöde 1964
Eduard Zuckmayer meldete sich wie sein Bruder Carl freiwillig zum Kriegsdienst. Die Brüder ließen sich anstecken von der patriotischen Begeisterung im Land und wollten ‚dabei‘ sein, wie Carl Zuckmayer sehr eindrücklich beschreibt. Wegen seines Studiums wird Eduard Zuckmayer zunächst vom Dienst zurückgestellt und der Ersatzreserve zugeteilt. Aber zum Jahresende 1914 erfolgt die Einberufung und er wird an die Ostfront geschickt. Er lehnt es ab, als ‚Militärmusiker‘ reklamiert zu werden und meldet sich freiwillig an die Front. Zuletzt war er Leutnant und Kompanieführer im 5. Rhein. Inf.-Reg. 65 an der Westfront. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse und weiteren Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet.
1918 auf dem Rückzug aus Frankreich schwer verwundet, konnte er erst im Lauf des Jahres 1919 daran denken, seinen Beruf wieder aufzunehmen. Im Frühjahr 1919 gab er in Wiesbaden ein erstes Konzert als Pianist.
Das Kriegserlebnis hatte ihn sehr verwandelt und er stellte seine bisherigen Ambitionen für eine Konzertlaufbahn in Frage. In den Theaterbetrieb wollte er nicht mehr zurückkehren, auch weil er die Kluft zu einer rein passiven Hörerschaft als zu groß empfand und die Musikausübung erneuern wollte.