Eduard Zuckmayer starb am 2. Juli 1972 an einem Herzinfarkt, in Ankara, wo er auch beerdigt wurde, so wie es sein Wunsch war.
Die Türkei war seine Wahlheimat, merkt Erdoğan Okyay an, nicht nur eine Zweite Heimat. Seine Tochter sagt, das Institut, das er mit gegründet hat, sei für ihn mehr als nur eine Arbeit, das sei sein Lebensinhalt gewesen, den er nicht verlassen wollte.
Er fühlte sich dem Land immer sehr verbunden, das ihn aufgenommen hatte, als seine Heimat ihn vertrieb. Seine Studierenden sahen in ihm nicht den ausländischen Experten, für sie war er einer von ihnen. Manche sagen, er war im besten Sinne ein Europäer.
„In jüngeren Jahren hatte ich einmal den Wunsch, oben auf dem kleinen Kirchhof in Nackenheim begraben zu sein. (…) Später aber habe ich es mit der heiligen Monica gehalten, der Mutter des Augustinus, die gesagt hat: ‚Nichts ist fern von Gott, und man braucht nicht zu befürchten, dass er am Ende der Zeiten nicht wüsste, wo er mich aufwecken solle‘. Will sagen, ich könnte mir sehr wohl vorstellen, einmal auf dem Friedhof von Ankara begraben zu werden, wo ein besonderer Teil uns Ungläubigen reserviert ist, auf dem schon eine große Anzahl von Schicksalsgenossen aus diesen Jahren ruhen.
Eduard an Carl Zuckmayer 1955
Prof. Dr. Erdoğan Okyay (†2017) war sein Student, sein Assistent, später dann sein Freund, dem er ermöglichte zum Weiterstudium nach Deutschland zu gehen. Die Nacht vor seinem Tod verbrachte Okyay bei ihm in Krankenhaus. Er erinnert sich, dass Zuckmayer auch da eine Mischung aus Deutsch und Türkisch gesprochen habe. Er habe sich als Türke gefühlt.
Gleich nach seiner Ankunft 1936 hatte der Musiker begonnen, Türkisch zu lernen. Er sprach es später so gut, dass nur sein leichter Akzent verriet, dass er Ausländer war.
In Ankara gab es auch nach dem Krieg eine kleine deutsche Community, so war Eduard Zuckmayer an Weihnachten oft bei Kurt Laquer eingeladen, der auch in Kirsehir interniert war und später Pressereferent an der deutschen Botschaft in Ankara.
Eduard Zuckmayer hat immer wieder daran gedacht, nach Deutschland zurückzugehen. Er hat sich dort auch mehrfach beworben, aber es gab für den Exilanten kein Angebot, das ihn motiviert hätte, die Türkei zu verlassen.
Zudem schien die politische Lage ihm in Deutschland zu unsicher, er hoffte auf eine europäische Perspektive. Seine Tochter Michele meint, er habe sich wohl auch ein wenig zu alt gefunden für einen Neuanfang. Und in der Türkei, in der ihm gewohnten Umgebung, habe er sich zuhause gefühlt und es habe ihm gefallen, bei seinen Studenten viel Zustimmung zu finden.
In den Ferien ist er regelmäßig nach Deutschland gereist, um seine Frau zu treffen, seine Tochter und alte Freunde. Solange sie lebten, war er oft bei seinen Eltern in Oberstdorf zu Besuch. Auch seinen Bruder Carl Zuckmayer hat er gern in der Schweiz besucht. Und seine Freunde in Brissago am Lago Maggiore.
„Zwar werden es in diesem Sommer fünfzig Jahre, dass ich als Abiturient das ‚alte Gymnasium‘ in Mainz verließ. Und seitdem war ich – mit Ausnahme ganz weniger Jahre – nie mehr für dauernd in meiner Vaterstadt ansäßig. Wie auch immer meine Laufbahn als Musiker sich gestaltet hätte, ich wäre wohl kaum jemals mehr in dem schönen alt-bürgerlichen Sinne ‚Mainzer‘ geworden, wie ihn die Persönlichkeiten darstellten, die mir in meiner Kindheit und frühen Jugend dort eindrucksvoll erschienen. Und doch bleiben diese Vor-Bilder mir stets in Herz und Sinn gegenwärtig, die Verwurzelung in diesem geliebten Heimatboden bleibt bestehen, auch wenn man in östlicher Ferne und Umgebung lebt, wirkt und neue Wurzeln geschlagen hat.
Eduard Zuckmayer an Dr. Ludwig Strecker
(B. Schott’s Söhne, Mainz) 1958
Eduard Zuckmayer bereiste das ganze Land und gab, wo immer möglich, Konzerte. Seinen 75. Geburtstag verbrachte er in Sinop am Schwarzen Meer. Bei der Ankunft wird er von seinen Studierenden freudig umringt. Sie sind schon vorher angereist, um an einer von ihm geleiteten deutsch-türkischen Musikwoche teilzunehmen. Dabei sind auch Schüler*innen der Stuttgarter Musiklehrerin Traudel Boeck. Wolfgang Werner hat das Foto aufgenommen, es zeige, wie freundschaftlich das Verhältnis der Türken zu ihrem Lehrer war. Sie sahen in ihm eine Vaterfigur, die sie bewunderten. Bei den Orchesterproben aber habe er penibel gearbeitet und konnte auch energisch werden, erinnert er sich.
„Die musikerzieherische Tätigkeit in Ankara war nicht aus der Not der Umstände erwachsen, sondern sie gehörte zu Zuckmayer. Anders sind seine Absage an die öffentliche Tätigkeit als Pianist, Dirigent und Gründer der ‚Gesellschaft für neue Musik‘ in Mainz und sein Aufbruch zur Schulgemeinde auf der Nordseeinsel Juist 1926 nicht deutbar. Wohl lag es im Zuge der Zeit, die Einheit von Musik und Leben fundamental anzustreben; aber eine endgültige Entscheidung zu treffen, den anerkannten Wirkungskreis aufzugeben, ist eine andere Sache.“
Kurt Sydow 1972
Seine Studierenden danken ihm seinen unermüdlichen Einsatz bis heute. Sie wissen es zu schätzen, wie intensiv er sie in Kontakt gebracht hat mit europäischer klassischer Musik.
Aber es kam nach seinem Tod auch zu Ausschreitungen. Die Büste von ihm, die auf dem Gelände der Gazi Universität aufgestellt worden war, wurde von rechts gerichteten Studenten zerstört, weil er die Musik der ‚Ungläubigen‘ in der Türkei verbreitet habe. Und auch sein Grabstein wurde entfernt, wie wir 2015 bei unseren Dreharbeiten feststellen mussten. Seinen noch lebenden Studierenden ließ das keine Ruhe, sie sammelten Geld bei denen, die heute in seiner Tradition weiter arbeiten und errichteten einen neuen Grabstein. Am 1. November 2016 präsentierten sie ihn auf dem Friedhof in Cebici. An dem Tag veranstaltete MÜZED, der Verband der Musiklehrer, ein Symposium zu seinen Ehren. Und am Abend wurde im Goethe Institut in Ankara unser Film gezeigt.